Evidenzbasierte Strategien gegen BPD
Die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) gehört zu den häufigsten Komplikationen bei Frühgeborenen mit einem Gestationsalter unter 28 Wochen (= ELGAN: extremely low gestational age neonate). Allen Bemühungen zum Trotz hat sich an der BPD-Rate daran in den letzten Jahren nicht viel geändert. Christian Poets und Laila Lorenz, Tübingen, haben zusammengefasst, welche evidenzbasierten Maßnahmen und Strategien das Risiko senken könnten.
Mechanische Beatmung vermeiden
Die Lungen von ELGAN sind zart und reagieren vor allem auf Volumenbelastung im Rahmen der mechanischen Beatmung extrem verletzlich. Um sie zu schützen, haben sich CPAP (continuous positive airway pressure) sowie die Surfactantapplikation ohne endotracheale Intubation mittels LISA (less invasive surfactant application) oder mit dem INSURE-Verfahren (Intubation, Surfactantgabe, rasche Extubation) in Deutschland durchgesetzt. Dass sich auf diese Weise die BPD-Inzidenz senken lässt, haben viele randomisiert-kontrollierte Studien gezeigt. In die bislang umfassendste Meta-Analyse sind die Daten von 30 klinischen Studien eingegangen.[1] Sie belegt, dass LISA im Vergleich zur mechanischen Beatmung das Risiko für BPD oder Tod halbieren kann. INSURE kam bei der BPD-Prävention auf Rang zwei unter den untersuchten Strategien zur respiratorischen Unterstützung.
Nach Extubation scheint sNIPPV (synchronised nasal intermittent positive pressure ventilation) dem nasalen CPAP und dem nicht-synchronisierten NIPPV in Sachen BPD-Reduktion überlegen zu sein[2] – diese Aussage sollte jedoch durch weitere Studien noch untermauert werden.
Volumen-kontrollierte mechanische Beatmung
Lässt sich mechanische Beatmung nicht umgehen, sollte sich die applizierte Atemzugtiefe am verabreichten Volumen und nicht am Druck orientieren. Im Vergleich beider Verfahren schnitt die Volumenkontrolle nicht nur hinsichtlich BPD und Tod signifikant besser ab als die Druckkontrolle, sondern ging auch mit weniger periventrikulären Leukomalazien und intraventrikulären Hämorrhagien einher.
Alternativ zur konventionellen mechanischen Beatmung kann auch die Hochfrequenz-Oszillations-Ventilation (HFOV) zum Einsatz kommen, die im Vergleich zur konventionellen Beatmung in mehreren Studien mit einer niedrigen BPD-Rate und Mortalität gepunktet hat. Allerdings erfolgte die mechanische Beatmung in diesen Studien druck- und nicht volumenkontrolliert. Daher ist derzeit noch offen, ob HFOV auch im Vergleich mit der volumenkontrollierten Beatmung die Nase vorn hat.
Kortikosteroide
Da Entzündungsreaktionen bei der Entstehung der BPD eine Schlüsselrolle spielen, erscheint die Gabe antiinflammatorisch wirkender Kortikosteroide nur konsequent. Doch beim systemisch verabreichten Dexamethason scheint der Zeitpunkt der Gabe eine entscheidende Rolle zu spielen: Innerhalb der ersten zehn Lebenstage überwiegen die unerwünschten Wirkungen den Nutzen, da die Gefahr einer Zerebralparese deutlich ansteigt.[3] Anders sieht es aus, wenn Dexamethason erst in der zweiten oder dritten Lebenswoche gezielt solchen Frühgeborenen vorbehalten bleibt, die ein deutliches BPD-Risikoprofil aufweisen (z.B. anhaltende Beatmungsnotwendigkeit mit Sauerstoffbedarf über 0,3 im Alter von 14 Tagen) – bei ihnen senkt Dexamethason das BPD-Risiko ohne die CP-Rate zu beeinflussen.[4] Für Frühgeborene mit nachgewiesener Chorioamnionitis scheint niedrig dosiertes Hydrokortison in den ersten zehn Lebenstagen hilfreich sein, ohne das CP-Risiko zu erhöhen.[5]
Coffeincitrat
Seit dem CAP-Trial (caffeine for apnea of prematurity)[6] weiß man, dass Coffeincitrat vor BPD schützen kann. Selbst im Alter von 11 Jahren wiesen die Kinder der Interventionsgruppe eine bessere Lungenfunktion auf als die Kinder im Kontrollarm.[7] Allerdings ist auch beim Coffein der Zeitpunkt der Gabe nicht gleichgültig: am wirksamsten ist es, wenn die Therapie möglichst früh – sprich: in den ersten drei Lebenstagen – eingeleitet wird.[8]
Vitamin A
Vitamin A fördert das Wachstum und die Differenzierung der Lunge, daher verwundert es nicht, dass es BPD-protektiv wirkt und die Inzidenz in einer Metaanalyse nach intramuskulärer Gabe (3 x 5.000 IE/Woche über 4 Wochen) um 13 % senken konnte.[9] Trotzdem hat sich diese Medikation bisher nicht durchsetzen können, das sie kostspielig und die intramuskuläre Gabe für die Kinder schmerzhaft ist. Oral verabreicht, hat Vitamin A keinen BPD-präventiven Effekt.
Referenz: Poets CF, Lorenz L. Prevention of bronchopulmonary dysplasia in extremely low gestational age neonates: current evidence. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2018; 103: F285–91
[1] Isayama T, Iwami H, McDonald S, et al. Association of noninvasive ventilation strategies with mortality and bronchopulmonary dysplasia among preterm infants: a systematic review and meta-analysis. JAMA 2016; 316: 611–24
[2] Lemyre B, Davis PG, De Paoli AG, et al. Nasal intermittent positive pressure ventilation (NIPPV) versus nasal continuous positive airway pressure (NCPAP) for preterm neonates after extubation. Cochrane Database Syst Rev 2017; 2: CD003212
[3][3] Doyle LW, Ehrenkranz RA, Halliday H, et al. Early (< 8 days) postnatal corticosteroids for preventing chronic lung disease in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev 2014: CD001146
[4] Doyle LW, Halliday H, Ehrenkranz RA, et al. Early (> 7 days) postnatal corticosteroids for chronic lung disease in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev 2014: CD001145
[5] Baud O, Trousson C, Biran V, et al. Association between early low-dose hydrocortisone therapy in extremely preterm neonates and neurodevelopmental outcomes at 2 years of age. JAMA 2017; 317: 1329–37
[6] Schmidt B, Roberts RS, Davis P, et al. Caffeine therapy for apnea of prematurity. N Engl J Med 2006; 354: 2112–21
[7] Doyle LW, Ranganathan S, Cheong JLY. Neonatal Caffeine treatment and respiratory function at 11 years in children under 1,251 g at birth. Am J Respir Crit Care Med 2017; 196: 1318–24
[8] Davis PG, Schmidt B, Roberts RS, et al. Caffeine for apnea of prematurity trial: benefits may vary in subgroups. J Pediatr 2010; 156: 382–7
[9] Darlow BA, Graham PJ. Vitamin A supplemetation to prevent mortality and short- and long-term morbidity in very low birthweigth infants. Cochrane Database Syst Rev 2011: CD000501