Welche kognitiven und psychischen Auswirkungen eine Frühgeburt bis ins Erwachsenenalter hat, wurde in der Bayerischen Entwicklungsstudie (BEST), der einzigen Langzeituntersuchung von Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht (VLBW), untersucht. Dazu wurden 1985 alle Kinder erfasst, die in einem Zeitraum von 15 Monaten in Südbayern innerhalb der ersten zehn Lebenstage in eine Kinderklinik aufgenommen wurden. 260 sehr kleine Frühgeborene, die im Alter von 26 Jahren nachbeobachtet werden konnten, wurden mit 350 reifgeborenen Kontrollpersonen verglichen. Der Gesamt-IQ aller ehemaligen VLBW-Frühgeborenen war im Vergleich zu Reifgeborenen ca. 15 IQ-Punkte niedriger, und diese Defizite verringerten sich in der Kindheit trotz spezieller Förderung nicht. Ehemalige Frühgeborene leiden im Erwachsenenalter häufiger unter Ängsten und Depressionen und weisen eher introvertierte Persönlichkeiten oder autistische Tendenzen auf als Reifgeborene. Insbesondere soziale Phobien und Blut-und Injektionsphobien waren bei ehemals Frühgeborenen deutlich häufiger. Auch sozial und wirtschaftlich gab es Unterschiede: So lebten die in der Studie erfassten ehemaligen Frühgeborenen VLBW mit 26 Jahren seltener selbstständig, waren häufiger von finanzieller Unterstützung abhängig und hatten durchschnittlich niedrigere Schulabschlüsse als Reifgeborene. Bei vergleichbar guten Beziehungen zu ihren Eltern hatten sie als Erwachsene weniger soziale Beziehungen mit Gleichaltrigen und mehr Probleme, einen Partner zu finden.
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität im Erwachsenenalter war bei ehemals Frühgeborenen dementsprechend signifikant niedriger als die der Reifgeborenen. Diese Studie legt nahe, bei der Versorgung von sehr kleinen Frühgeborenen den Blick mehr auf psychische und soziale Auswirkungen zu konzentrieren, da diese Faktoren einen großen Einfluss auf die Lebensqualität haben.
Quelle:
D. Wolke, J. Jaekel: Langzeitüberlebensqualität ehemaliger kleiner Frühgeborener. Monatsschr Kinderheilkd 2016; 164:673-684
Langzeitdaten:
https://link.springer.com/article/10.1007/s00112-016-0125-8
BEST-Studie:
www.bayerische-entwicklungsstudie.de/index.php/die-studie/55-die-studie/die-studie